Bei mir ist letztes Wochenende genau
das passiert, was man sich als Austauschschüler nie wünscht, der
Wechsel der Gastfamilie. Seit Freitag bin ich nicht mehr bei meiner
alten Familie und will versuchen euch kurz zu erzählen warum. Mit
diesem Post möchte ich die Familie auf keinen Fall schlecht machen,
sondern will nur, dass ihr nachvollziehen könnt, weshalb ich nicht
dort bleiben wollte.
Nach der anfänglichen Euphorie über
alles Neue kehrt doch irgendwann der Alltag ein, mit dem ich
überhaupt nicht zurecht kam. Meine Gastmutter arbeitete außerhalb
und kam deswegen nur am Wochenende mal nachhause, meine Gastschwester
war die meiste Zeit an ihrem College, wo sie studiert und so war ich
nach der Schule (ab ca. 13 Uhr) Zuhause zusammen mit meiner Tante und
meinem Cousin in dem Haus. Der Fernseher war von früh bis spät an,
genauso wie die zwei Computer, von denn einer in meinem Zimmer stand,
sodass ich selbst wenn ich in meinem Zimmer war den leuchtenden
Bildschirmen nicht entkommen oder allein sein konnte. Unternehmungen
unter der Woche gab es nie, was eigentlich auch nicht so schlimm
gewesen wäre. Ich verlange ja auch kein Entertainment-Programm von
der Familie, aber immer wenn ich gefragt habe, ob ich raus gehen kann
oder nachmittags oder auch am Wochenende meine Freunde treffen darf,
wurde das zu einem riesigen Problem, weil sie der Meinung waren,
meine Freunde wären gefährlich für mich. Natürlich habe ich auch
gefragt, ob ich hier einem Sportverein beitreten kann, was laut
meiner Familie auch nicht möglich war. Und auch im Haus konnte ich
mich nicht wirklich wohl fühlen. Der Brasilianische Mittelstand ist
absolut nicht mit dem deutschen zu vergleichen.
Den kompletten ersten Monat habe ich
fast nur in dem Haus verbracht und es wurde wenig mit mir geredet,
weswegen mein Portugiesisch immer noch nicht sonderlich gut ist. So
führte es dazu, dass ich immer unglücklicher wurde und ich mich in
diesem Haus wie gefangen fühlte, weil ich totale lange Weile hatte.
Irgendwann kam ich an den Punkt, dass es nicht das ist, was ich mir
unter meinem Auslandsjahr vorgestellt hatte und auch wenn ich die
Leute dort gern hatte, musste sich unbedingt etwas ändern.
Nachdem ich am Freitagabend meiner
Betreuerin alles erzählt hatte, ging alles ganz schnell und ich
musste meine Sachen packen, weil ich am nächsten Tag zu der Familie
von dem Amerikaner, der auch in meine Klasse geht, zog. Dort konnte
ich nur bis Montag bleiben, also musste schnell eine neue Familie
her. Sonntag holte mich dann meine Betreuerin überraschend ab und
zusammen fuhren wir zu einer Familie, deren ältere Tochter ein
Auslandsjahr in Deutschland gemacht hat, jetzt nicht mehr in dem Haus
wohnt und deren Zimmer frei ist. Sie waren sehr sympathisch und nett
und hatten auch noch eine weitere Tochter in meinem Alter, welche
nächstes Jahr nach Deutschland geht. Am Montag holte ich dann meine
letzten Sachen aus dem Haus meiner alten Gastfamilie und danach ging
es ziemlich unerwartet zu einer zweiten Familie, die mich aufnehmen
würde. Das Haus war wirklich unglaublich und der Mann und deren
Frau, die darin leben sehr nett, aber als ich anschließend vor die
Entscheidung gestellt wurde, wo ich leben möchte, wählte ich die
erste Familie, weil ich dort eine Gastschwester in meinem Alter
hätte. Die ganze Sache verkomplizierte sich, als diese Familie nicht
zu erreichen war und auch das Telefon nicht abnahm und es für mich
dann plötzlich zurück ging, zu dem Mann und der Frau, wo ich auch
die letzte Nacht verbracht habe und für die nächste Zeit bleiben
werde, bis eine richtige neue Jahresfamilie gefunden wurde. Und ich
hoffe sehr, dass ich dieses Mal mehr Glück habe.
Ich hoffe ihr konntet mir soweit
folgen, denn die letzten Tage waren sehr anstrengend, verwirrend aber
gaben mir auch etwas Hoffnung und Mut, denn so ein
Gastfamilienwechsel ist alles andere als einfach, aber für mich war
er nötig. Ich glaube dass sind die Momente im Auslandsjahr, bei
denen man an seine Grenzen kommt und über sich selbst hinaus wachsen
muss. Einem wird bewusst, dass man manchmal sein Glück auch selbst
in die Hand nehmen und etwas verändern muss, damit man glücklich
wird. Und genau das mache ich jetzt und nutzte meinen
Gastfamilienwechsel als Neustart in mein unglaubliches Jahr in
Brasilien! Wünscht mir Glück..
Sobald es was Neues gibt, melde ich
mich wieder.
Alles Liebe
Lena
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